Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat entschieden: Die ärztliche Vertretung stellt eine selbständige Tätigkeit dar. Allerdings hat die Finanz den Verwaltungsgerichthof dagegen angerufen. Trotz eines vereinbarten Fixentgeltes, der Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung und der organisatorischen und zeitlichen Eingliederung wurde im aktuellen Urteil das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit bejaht.

Ausgangslage:

Im gegenständlichen Fall handelte es sich um einen Urologen, der sich bereits mehrere Jahre hindurch auf unbestimmte Zeit regelmäßig (immer dienstags und donnerstags) von zwei Kolleginnen vertreten ließ. Die Arbeitszeiten waren vorgegeben. Die eingeteilten Patienten und die Akutfälle mussten nach einem vom Praxisinhaber vorgegebenem Schema behandelt werden.

Es gab somit keine Möglichkeit Aufträge abzulehnen. Ebenso war auch der Arbeitsort vorgegeben, so wie es eben in der Natur der Sache liegt. Die Räumlichkeiten sowie auch die komplette Praxisinfrastruktur einschließlich Assistentin wurden kostenlos zur Verfügung gestellt. Das Entgelt war ein Fixum pro Nachmittag, unabhängig von der Zahl der Patienten. D.h. es lag eine erfolgsunabhängige Entlohnung in Form eines gleichbleibenden Betrages vor, der von den Vertretungsärztinnen nicht beeinflusst werden konnte. Weiters haben die Vertretungsärztinnen im Verhinderungsfall auch nicht ihrerseits wiederum eine Vertretung bestellt, sondern waren, abgesehen von der Möglichkeit sich gegenseitig zu vertreten, zur persönlichen Arbeitsleistung verspflichtet.

Kriterien für die Einstufung als Dienstverhältnis:

Damit lagen nach Meinung der Finanz alle Kriterien eines Dienstverhältnisses vor. Eine Tätigkeit gilt als im Rahmen eines Dienstverhältnisses erbracht, wenn folgenden Merkmale vorliegen: Weisungsbindung, persönliche und organisatorische Eingliederung, erfolgsunabhängige Entlohnung, Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung, keine Beteiligung am Unternehmerrisiko. Diese Kriterien sah die Finanz bei der oben beschrieben Ausgangslage allesamt erfüllt.

Würdigung durch das Bundesfinanzgericht:

Dort sah man das maßgebliche Kriterium in der persönlichen Weisungsbindung. Eine solche liegt aber lt. BFG nur dann vor, wenn der Praxisinhaber konkrete Arbeitsanweisungen erteilt und der Vertreter nicht mehr eigenverantwortlich agiert. Dies ist allerdings überhaupt nur dann denkbar, wenn beide Ärzte gleichzeitig in der Ordination tätig werden, was auf Grund der kassenvertraglichen Bestimmungen in der Regel ja gar nicht zulässig ist. Da der zu vertretende Arzt in der Ordination nicht anwesend war, konnte lt. BFG auch keine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus vorliegen. Das wird  auch dadurch untermauert, dass das Vertretungshonorar nur 300 Euro für 6 Stunden betrug, was im Vergleich zum erzielten Umsatz gering ist, was wiederum darauf schließen lässt, dass darin eine Gebühr für die Nutzung der Ordination zu erblicken ist.

Resümee:

Im steuerlichen Bereich kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Fehljudikaten. So gibt es z.B. ein Judikat, wonach der Arzt seine Berufskleidung nur dann steuerlich absetzen darf, wenn diese im einschlägigen Fachhandel (z.B. clinic dress) bezogen wurde oder mit dem Praxisloge versehen ist. Ebenso unerfreulich ist die gesamte Judikatur zum betrieblichen PKW sowie auch der Umstand, dass Zuweiser auf steuerwirksamer Basis weder zum Essen eingeladen noch mit einem guten Fläschchen Wein oder einem Blumenstrauß bedacht werden dürfen. Umso erfreuliche ist nun dieses Judikat.
Das Bundesfinanzgericht hat hier eindeutig richtig erkannt, dass ein Vertretungsarzt vollkommen eigenverantwortlich agiert und daher auch zur Haftung herangezogen werden kann, was einem Unternehmerrisiko gleichkommt.

Nur leider ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, da das Finanzamt beim Verwaltungsgerichtshof eine außerordentliche Amtsrevision dagegen eingebracht hat. Damit bleibt die Rechtsunsicherheit trotz positivem Zwischenstand vorerst wohl noch bestehen.